Andacht zum Sonntag Estomihi, 14.02.2021 von Pfarrerin Jasmin Gabel

Wochenspruch:
„Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“‘
(Lukas 18,31)

Der Blick in den Kalender zeigt: Am kommenden Mittwoch beginnt wieder die Fastenzeit. „Sieben Wochen ohne“. Seit mehr als 30 Jahren nehmen viele Menschen gerne teil an der Fastenaktion der evangelischen Kirche, üben sich im Verzicht auf Süßigkeiten, Alkohol, Zigaretten, Autofahren oder Facebook.
Aber dieses Jahr? Verzichten wir nicht schon auf so Vieles: Reisen, gemeinsames Feiern, spontane Treffen mit Freunden, unbeschwert Gottesdienste feiern und singen.
Wir verzichten, sind solidarisch, damit wir alle zusammen diese Pandemie hoffentlich endlich in den Griff bekommen. Wir verzichten auf vieles, was uns lieb und wichtig ist, damit nicht noch mehr Menschen an diesem Virus sterben müssen, es sind doch schon viel zu viele. Damit unsere Kinder und Enkel wieder gemeinsam spielen, lernen und unbeschwert Kinder und Jugendliche sein können. Damit Gastwirte, Künstlerinnen und Ladeninhaberinnen wieder ein auskömmliches Einkommen haben und Pflegekräfte durchatmen können.
Diese Solidarität hat auf den ersten Blick zwar nichts mit dem Fasten zu tun, wie viele Menschen es alljährlich während der Passionszeit praktizieren, sehr wohl aber mit dem Fasten, von dem die Bibel spricht, heute der Prophet Jesaja. (Nachzulesen bei Jes. 58,1-9a)
Fasten und solidarisch handeln haben für ihn durchaus etwas miteinander zu tun. Für ihn geht es beim Fasten nicht darum, Gott zu gefallen. Es geht auch nicht darum, beim Fasten ausschließlich etwas für mich zu tun, einen Verzicht zu üben, der nur mir selbst zugute-kommt, meiner Gesundheit, meinem Körper, meiner Seelenruhe.
Jesaja sagt den Menschen vielmehr: „Brich mit dem Hungrigen dein Brot.“ Nimm die Bedürftigkeit um dich herum wahr. Sei solidarisch mit denen, die Hilfe brauchen, achte auf die, die beschützt werden müssen, teil mit den Einsamen dein Haus oder deine Zeit, halte dich zurück und mäßige dich in deinen Bedürfnissen, wenn dadurch andere zu Schaden kommen. Fasten hat für den Propheten in erster Linie etwas mit einem gerechten Ausgleich zu tun. Es geht um den Versuch, Verhältnisse wieder herzustellen, die das Leben für alle möglich machen, so wie Gott es für seine Menschen gedacht hat.
Reichtum, Fülle und Überfluss sollen wir einsetzen, um anderen zu helfen.

Es ist uns aufgegeben, für einen Ausgleich zwischen Reich und Arm zu sorgen. Das ist die Aufgabe, die uns Gott stellt. Damit wir sie erfüllen können, müssen wir tatsächlich etwas aufgeben. Etwas von unserem Geld, von unserer Zeit. Und weil unsere Lebensweise Auswirkungen auf das Weltklima hat und weil der Klimawandel schlimme Folgen auf der ganzen Erde mit sich bringt, deshalb müssen auch wir etwas von unserem gewohnten Lebensstil aufgeben. Es sind halt nicht nur die Anderen, die diese Katastrophe beschleunigen, es sind auch wir.
Die Pandemie führt uns ja deutlich vor Augen, wie wir als Weltgemeinschaft aufeinander angewiesen sind. Umkehr und Umdenken sind nötig, um diese Herausforderung gemeinsam zu bewältigen.
Aber es wird auch nicht völlige Selbstaufgabe von uns erwartet. Wir müssen dem Hungrigen nicht unser ganzes Brot geben, wir sollen es mit ihm teilen. Das richtige Maß lässt sich finden.
Und indem wir uns unseren nahen und fernen Mitmenschen zuwenden, erleben wir auch die Nähe Gottes. Das ist der Ausblick, den der Prophet gewährt. Ein Lichtblick, der Aussichten neu eröffnet. Denn:
„dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.“

Gebet:
Gott, ich wünsche mir von dir nicht eine Million,
ich wünsche mir von dir kein sorgenfreies Leben,
ich wünsche mir von dir auch nicht, was in den Werbespots im Fernsehen angepriesen wird:
Traumurlaub, makellose Schönheit und Versicherungsschutz rund um die Uhr.
Ein hörendes Herz, Gott,
das wünsche ich mir:
ein hörendes Herz für alle Notsignale,
ein offenes Herz für Entschuldigungen,
ein weiches Herz auch für die Steinharten,
ein mitfühlendes Herz für die Leiden anderer Menschen,
ein weites Herz auch für die, die es nicht verdient haben.
Gott, ich wünsche mir von dir nicht Gold und Silber,
sondern ein Herz, das für die Menschen schlägt, mit denen ich lebe. Amen.