Ökumene in Guntersblum: Von der Konfrontation zur Kooperation

Unser historisches Kirchengebäude wurde in der heutigen Form zwischen 1102 und 1842 erbaut. Bis zur Einführung der Reformation in Guntersblum war diese Kirche katholisch und dem heiligen Viktor von Xanten geweiht. Nachdem die Leininger Grafen um 1550 die Reformation für sich angenommen hatten und ein evangelischen Pfarrer bestellt wurde, wurde die Mehrheit der Guntersblumer evangelisch, es blieb aber eine kleine katholische Gemeinde, die auch weiterhin einen eigenen Priester hatte. Sie hatte das Gastrecht zur Nutzung der Kirche, wurde aber als Minderheit diskriminiert. So ist überliefert, dass die Katholiken die Orgel der Guntersblumer Kirche nicht benutzen durften, da diese den Protestanten gehörte. Für eine eigene katholische Orgel fehlte den Katholiken das Geld. Immerhin kaufte die kath. Gemeinde für die Guntersblumer Kirche um 1770 einen großen Hochaltar, der im Chorraum aufgestellt wurde. Als dieser in der Sonntagsmesse feierlich eingeweiht werden sollte, war er verschwunden: Radikalen Protestanten war der Altar in ihrer Kirche ein Dorn im Auge, sie hatten sich in der Nacht zuvor in die Kirche geschlichen, den Altar abgebaut, hinausgeschleppt und in einer Scheune versteckt. Dieser Vorgang ist in einem Schriftwechsel im Archiv der Kirchengemeinde erhalten.

Nach dem Anschluss Rheinhessens an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1816 sahen die Guntersblumer Katholiken ihre Chance auf eine eigene Kirche. Der Großherzog war zwar evangelisch, aber tolerant und um Frieden in seinem Reich bemüht. Und so konnte nach langem Mühen und vielen Spenden neben dem Alten Schloss die kath. Kirche St. Viktor gebaut und 1842 eingeweiht werden. Damit waren fast 300 Jahre gemeinsamer Nutzung der ev. Kirche zu Ende.

Über die nächsten 120 Jahre lebten die beiden Konfessionen in Guntersblum nebeneinander her. Ökumene fand nicht statt, die Grenzen waren klar definiert. Konfessionsverschiedene Paare litten sehr darunter. Mit dem Amtsantritt von Pfr. Dieter Michaelis 1961 wurde Ökumene auch in Guntersblum möglich, zumal in der Aufbruchsstimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) auch die katholische Kirche sich öffnete. Mit seinem katholischen Amtsbruder Pfr. Helmut Löffelholz verband Pfr. Michaelis eine gute Zusammenarbeit, die heute noch in der alten Altarbibel unserer Kirche sichtbar ist – ein Geschenk der kath. Pfarrgemeinde St. Viktor zur Einweihung des ev. Gemeindehauses 1965 (leider ist der Text dieser Bibel heute veraltet). Nach dem plötzlichen Tod von Pfr. Löffelholz wurde die kath. Pfarrgemeinde von 1968-2011 von Pfr. Alphons Mohr geleitet, der keinen Sinn für Ökumene hatte, sondern ganz in der kath. Tradition lebte und arbeitete. So gab es in seiner Amtszeit nicht einmal einen ökumenischen Gottesdienst für die Schulanfänger der Grundschule, sondern gleichzeitig  eine Messe in St.Viktor und einen Gottesdienst in der ev. Kirche.
Immerhin gab es unter dem Motto „Ökumene 2000“ ein Jahr mit vielen gemeinsamen Veranstaltungen, seitdem auch einem ökumenischen Gemeindebrief, der zunächst 2-3 mal jährlich erschien, seit 2014 dann viermal im Jahr.
Nachdem Kardinal Lehmann Pfr. Mohr mit 85 Jahren in den Ruhestand geschickt hatte, lebte die Ökumene auf. Endlich konnte die kath. Gemeindereferentin Sonja Janß Projekte wie die Schulgottesdienste selbstverständlich gemeinsam vorbereiten und durchführen.

Insgesamt hat die Ökumene mit der kath. Pfarrgemeinde in Guntersblum Grenzen vor allem in der geringen Zahl aktiver Gemeindeglieder auf kath. Seite – die wenigen tragen schon viel. Es ist sehr wichtig, die Gemeinsamkeit der christlichen Kirchen zu betonen und die Gräben der Vergangenheit zu überwinden.
Dies gilt auch für die drei kleinen russlanddeutschen Gemeinden, die sich seit 1990 in Guntersblum gegründet haben. Mit ihnen besteht ein freundschaftliches Nebeneinander – ökumenischen Zusammenarbeit wird von deren Seite nicht gewünscht, da unsere Glaubensüberzeugungen weit entfernt liegen (etwa bei der Rolle der Frau in der Kirche und bei der Stellung zur Homosexualität).