
Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt, kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arm hergetragen werden. Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen. (Jesaja 60,1-6)
Jedes Jahr ist das so: Ich bedaure, dass der 6. Januar bei uns in Rheinland-Pfalz nicht wie in Baden, wo ich herkomme, ein Feiertag ist. Ich liebe dieses Epiphanias-Fest und ich mag besonders auch die Geschichte von den Heiligen drei Königen.
„Bald ist es soweit!“, hoffen die und haben sich aufgemacht, einen neugeborenen König zu suchen. Ihnen ist ein Licht aufgegangen. Ein Stern hat sie einen langen Weg geführt. Sie sind weit gereist, um das Jesuskind zu ehren und haben dazu Gold, Weihrauch und Myrrhe mitgebracht. Doch werden sie ihr Ziel erreichen? Wo ist denn dieser neuge-borene König? Als sie nicht mehr weiterwissen, gehen sie dorthin, wo neugeborene Könige in aller Regel zu finden sind: In den Palast, zu Herodes nach Jerusalem. Bei dem alten König nach dem neuen König suchen – ob das eine gute Idee ist? Wir wissen, wie die Geschichte ausgeht. Mit Mord und Totschlag. Denn ein neuer, rechtmäßiger König ist eine Gefahr für jeden Despoten, der seine Macht nur auf Terror und Angst gründet.
Davon freilich ahnen die Heiligen drei Könige nichts. Sie haben nur eines im Sinn, und endlich ist es soweit: Sie kommen an ihr Ziel nach Bethlehem, sehen das Kind in der Krippe, das Licht der Völker. Die Engel singen, es ist als ob sich Himmel und Erde berühren. Alles Dunkle ist in der Nähe des Jesuskindes vergessen. Der weite Weg hat sich gelohnt. Die Augen glänzen und die Herzen werden weit. Die Weisen bringen ihre Gaben dem, der Gottes Gabe ist für alle Menschen. Es ist, als ob sich die Prophezeiung Jesajas vor ihren Augen erfüllt:
„Dann wirst du es sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.“
Bald ist es soweit, denken die Israeliten. Sie hören Worte, die ihnen zu Herzen gehen und die ausdrücken, was sie sich erhoffen, wovon sie träumen: Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir!
Noch ist es nicht soweit. Noch liegt Jerusalem in Trümmern, ist der Tempel eine Ruine, Israel ein Spielball des mächtigen Babylon. Noch hungern die Menschen in Jerusalem, leben in bitterer Armut, noch lebt der andere Teil des Volkes im fernen Babylonien in der Verbannung, getrennt von Familie und Heimat. Und viele mögen sich fragen: Wo ist Gott? Hat er uns vergessen, sich abgewendet von seinem Volk?!
Doch dann diese Worte! Voller Zuversicht und Hoffnung! Das Licht kommt! Gottes Herrlichkeit geht schon auf, wie der Morgenstern, der den Aufgang der Sonne verheißt.
Der ersehnte Morgen ist schon nahe. Bald werden die Völker kommen und den Glanz bestaunen, mit dem Gott sein Volk besucht. Bald ist es soweit. Wer Augen hat zu sehen, der sieht schon jetzt, wie sich alle Welt aufmacht zum Zion, zu dem Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren.
Zuerst kommen die Völker. Von allen Enden der Erde zieht es sie aus der Dunkelheit hin zum Licht, das die Gegenwart Gottes verheißt. Sie kommen mit ihren Gaben, bringen ihren Besitz, ihre Kamelherden, Gold und Weihrauch. Sie treibt der Wunsch an, Gott zu suchen. Und sie kommen mit der Hoffnung, ihn auf dem Berg Zion zu finden.
Wer Augen hat zu sehen, der sieht auch, wie das Volk Israel, die Kinder und Enkel, zusammen mit den Völkern kommen. Sie haben Babylon verlassen und kommen heim – endlich! Die Herzen zerspringen vor Glück und die Augen strahlen vor Freude.
Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir!
Die Wallfahrt zum Zion ist eine Friedensvision. Die Menschen und Völker sind auf der Suche nach dem Schalom, nach Ruhe und Frieden, nach Freiheit und Gerechtigkeit. Aller Streit zwischen den Religionen tritt in den Hintergrund. Die Rechthaberei ist vorbei. Es gibt nur noch den Wunsch, dass das Licht der Welt die Dunkelheit vertreibt.
Endlich ist es soweit. Die Kinder kommen. Die Coronazeit ist vorbei. Lange Monate mit Einschränkungen und Isolation. Der erste Besuch ohne Angst, ohne Abstand und Maske. Und endlich ganz unbekümmert die kleinen Enkel oder Urenkel wiedersehen! Sie in die Arme schließen und ganz fest an sich drücken. Staunen, wie sie gewachsen sind, sehen, wie ihre Augen strahlen und hören, wie sie lachen vor Freude! Und mit den Kindern wieder glauben können, dass Gott als Mensch, als Kind zu uns kommt, klein und zerbrechlich und unendlich kostbar.
Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt.
Sich mit den Weisen aus dem Morgenland aufmachen, den Weg suchen, um am Ende den neugeborenen König zu finden – das ist eine Aufgabe, die unser ganzes Leben lang andauert. Der Stern, der den Weisen den Weg weist, ist wie der Morgenstern, der den Aufgang der Sonne voraussagt. Noch ist es dunkel. Noch leben wir voller Sehnsucht. Aber:
Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.
Die Nacht ist schon im Schwinden, macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden, das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet, seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet, den Gott selbst ausersah. (Jochen Klepper)
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegnete und zuversichtliche Epiphanias-Zeit.
Ihre Jasmin Gabel