Auf dieser Seite finden Sie in regelmäßigen Abständen Impulse, Anregungen und Ideen zu Fragen des christlichen Glaubens:

Im Sommer feiern auch wir in Guntersblum die Sommerreihe Reformation!

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Wir sind wunderbar

Ein Junge wurde von einem Erwachsenen gefragt: „Was willst Du denn mal werden?“ Der Junge fragte zurück: „Warum muss ich denn etwas werden? Ich bin doch schon etwas.“ Die Antwort dieses Kindes lässt uns schmunzeln. Sie verblüfft. Und sie berührt.

Ich muss nicht immer etwas werden. Ich darf so sein, wie ich bin. Und ich bin etwas. Ich lese im Neuen Testament, im Epheserbrief, im 5. Kapitel: „Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.“
Warum muss ich denn etwas werden? Ich bin doch schon etwas. So fragt der Junge. Ihr seid etwas ganz Wunderbares. So sagt der Apostel. Ihr seid Licht in dem Herrn. Mich berührt dieses Bild. Ich bin ein Kind des Lichts. Das muss ich nicht erst werden. Das muss ich mir nicht erst verdienen. Als Kind Gottes muss ich nicht selbst eine große Leuchte sein. Nicht durch meine Leistung, meine Frömmigkeit, meine klugen Gedanken, meine Fähigkeiten. Manches in meinem Leben bleibt eben nur Fragment. Da gibt es Schatten und Dunkelheit. Aber ich darf damit Kind des Lichts sein. Wie befreiend und wohltuend ist das!

Der Regisseur Christoph Schlingensief hat es in seinem „Tagebuch einer Krebserkrankung“ so formuliert: „Die Liebe Gottes manifestiert sich vor allem in der Liebe zu uns selbst. In der Fähigkeit, sich selbst in seiner Eigenart lieben zu dürfen, und nicht nur in dem, was wir uns ständig umhängen, um zu beweisen, dass wir wertvoll, klug, hübsch und erfolgreich sind. Nein! Wir sind ganz einfach wunderbar.“
Es ist gut, wenn wir uns von Zeit zu Zeit daran erinnern, was wir sind. Das ist die Mitte unseres Lebens. Die Zentrifugalkräfte des Alltags ziehen uns immer wieder von dieser Mitte unseres Lebens fort. Es ist wichtig, dass wir diese Mitte immer wieder in den Blick bekommen.

Ich muss nicht etwas werden. Ich bin doch schon etwas. Das gibt mir eine große Gelassenheit im Umgang mit mir selbst und mit den Menschen, die zu mir gehören. Und eine große Gelassenheit auf dem Weg, der vor mir liegt.

Pfarrer Matthias Schmidt ist Propst der Evangelischen Propstei Oberhessen mit Sitz in Gießen

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Augenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort!

Was soll denn das? Genau! Pause. Und dann? Mal durchatmen.

Die Ungeduld gilt als ein Symbol der Moderne. Man darf vieles verlieren – nur nicht die Zeit. Gut also, dass ich meine Post nicht mehr zu Hause am Tisch lesen muss, nachdem ich – gefühlt stundenlang! – auf die Briefträgerin gewartet habe. Nein, die Mails lese ich an der Ampel auf meinem Smartphone. Und antworte noch auf dem Parkplatz vor dem Haus. Sofort!

„7 Wochen Ohne“ möchte 2017 eine Kur der Entschleunigung anbieten. Alles hat seine Zeit, verspricht uns der Prediger in der Bibel (dazu Woche 1).

Zeit für schwierige Entscheidungen, die kleinen und die großen (Woche 2). Zeit, den Menschen im anderen zu sehen, etwa in der Schlange im Supermarkt, auch wenn man es eilig hat. Und dort vielleicht ein Bibelwort neu verstehen zu lernen: „So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“ (Woche 4) – Zeit, wenn etwas schiefgeht, nicht gleich loszu¬poltern, sondern noch mal durchzuatmen. Statt den Zeigefinger mit der „Du bist schuld!“-Tirade auszufahren, lieber die ganze Hand ausstrecken, zuhören und vergeben (siehe Woche 5). Und: Nicht sofort aufgeben! Wenn es nicht mehr weitergeht, einmal Pause machen, eine Tasse Tee trinken, nachdenken: Zeit, den Dingen und sich selber eine zweite Chance zu geben (dazu Woche 6).

Dieses Innehalten hat uns Gott ganz am Anfang in unsere Zeitrechnung geschrieben: Den siebten Tag segnete der Schöpfer – und ruhte. Dazu sind wir auch eingeladen, jede Woche: Gottes Zeit feiern – ¬bevor es wieder Alltag, wieder spannend wird. Mal nicht funktio¬nieren, nicht Maschine sein, sondern Mensch (Woche 7). Das musste sich übrigens auch die fleißige Marta von Jesus sagen lassen: Sie hatte ihre Schwester Maria angemault, weil die nicht in der Küche half, sondern mit Jesus rumsaß und sich unterhielt. Und Jesus sagte: „Maria hat den guten Teil erwählt.“ (Woche 3)

Greifen auch Sie zu: Augenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort!

Eine ruhige, stressfreie, gesegnete Fastenzeit wünscht Ihnen

Arnd Brummer,
Geschäftsführer der Aktion „7 Wochen Ohne“

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Jan Hus als Vorläufer der Reformation

Dr. Eberhard Pausch, Leitung Projektbüro Reformationsdekade EKHN

Weder Martin Luther noch Huldrych Zwingli sind vom Himmel gefallen oder aus dem Nichts aufgetaucht. Vor ihnen gab es andere Personen, die auf ihre Weise die Reformation zumindest vorbereitet, wenn nicht sogar mit eingeleitet haben.

Einer von ihnen war Jan Hus aus Prag (1369-1415). Der hochbegabte Tscheche, der fließend Deutsch sprach, war als Prediger und Theologe zu seiner Zeit in seiner Heimat Böhmen sehr populär.Er sprach sich für Gewissensfreiheit der Gläubigen aus und betrachtete die Bibel als einzig relevante Instanz in Glaubensfragen. Als Kirchenreformer trat er dafür ein, dass Gottesdienste in der Landessprache abgehalten werden sollten. Den Ablass- und Reliquienhandel kritisierte er ebenso wie die Vorstellung, dass der Papst die höchste Autorität in Glaubensfragen sein sollte. In alledem war er sicherlich ein Vorläufer der Reformation, und Martin Luther meinte zu Recht, dass einige Lehren des Hus „gut evangelisch“ gewesen seien. Andererseits hielt Hus aber an der Lehre vom Fegefeuer fest und glaubte an die substanzielle Wandlung des Brotes im Abendmahl. Auch meinte er, Christenmenschen könnten und müssten absolut tugendhaft und vorbildlich leben.

In alledem war er eher kein Vorläufer der Reformation. Luther zweifelte niemals daran, dass Christenmenschen immer „Sünder und Gerechte“ zugleich seien, eine absolute Tugendhaftigkeit kann es ihm zufolge nicht geben. Genau deshalb war Luther ja die Rechtfertigungslehre so wichtig: Kein Mensch kann sich mit guten Werken die Seligkeit verdienen. Diese Auffassung teilte Hus aber keineswegs. Das heißt, in vielen Hinsichten war der Tscheche „ein frommer Katholik“ (Arnd Brummer).

Seine Aussagen über Papst und Bibel, Ablass und Gewissensfreiheit nahm ihm die Amtskirche seiner Zeit aber sehr übel und zitierte ihn vor das große Konzil, das von 1414 bis 1418 in Konstanz tagte. Trotz des ihm vom künftigen Kaiser zugesicherten freien Geleites wurde er dort verhaftet, verhört, gefoltert und schließlich verbrannt. Das Konzil betrachtete ihn als Ketzer und kannte keine Gnade. Man war wohl auch deshalb so unnachgiebig, weil damals in der Kirche großes Chaos herrschte: So gab es etwa mehrere Päpste nebeneinander, die sich gegenseitig bekämpften und verdammten. Das Konzil wollte Ordnung schaffen und betonte, dass jeder Gläubige, auch der Papst, sich dem Konzil unterwerfen müsse. Also erst recht dieser Jan Hus!

In gewisser Hinsicht war der Tscheche ein Bauernopfer, heute würde man wohl auch sagen: ein Kollateralschaden. Dabei hätte er bis zur letzten Minute sein Leben retten können, wenn er einfach seine Aussagen widerrufen hätte. Das aber schien Hus mit seinem Gewissen unvereinbar. Eines seiner letzten Worte lautete: „Ich will nicht lügen angesichts Gottes noch gegen mein Gewissen und die Wahrheit handeln. […] Ich kann auch die vielen Menschen nicht enttäuschen, denen ich gepredigt habe. Ich will nicht widerrufen!“ Ganz ähnlich sollte sich etwas über hundert Jahre später, 1521, Martin Luther auf dem Wormser Reichstag äußern. Auch Luther war freies Geleit zugesichert worden. Zum Glück hatte er viele Freunde, Anhänger und mächtige Beschützer wie Kurfürst Friedrich den Weisen an seiner Seite. Das sollte sein Leben retten. Der arme Hus hatte dieses Glück nicht …

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Bedford-Strohm am Buß- und Bettag: Gott kann Menschen zum Besseren verändern!

von der Pressestelle der EKD im November 2016

Drohungen und Hass-Botschaften würden sich derzeit im Internet „wie ein Virus“ verbreiten, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm heute in seiner Predigt am Buß- und Bettag in der Münchner St. Matthäuskirche. „Sie verbreiten sich wie Gift in einer Gemeinschaft, die wir ‚Soziale Medien‘ nennen, weil sie eigentlich dazu gedacht waren, Menschen in Kommunikation miteinander zu bringen“.

Der Buß- und Bettag sei Anlass, „zur Besinnung zu kommen“ und sich „neu auszurichten“. Die Güte Gottes könne zur Umkehr, zur Buße leiten, sagte Bedford-Strohm. Dank der Güte Gottes hätten wir alles, was wir zum Leben brauchen: Nicht nur Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf, sondern auch das Gefühl der Geborgenheit in schweren Situationen oder die Freude über das erste Lächeln eines Babys. Man müsse nur die Augen aufmachen und könne überall um sich herum Spuren der Güte Gottes erkennen, betonte Bedford-Strohm.

Auch Menschen können sich verändern. Es habe ihn „wirklich berührt“, so der Landesbischof, dass ein paar Tage nach einem wüsten Kommentar auf seiner Facebook-Seite sich der Autor des Kommentars per Email bei ihm entschuldigt habe. Diesen Mailwechsel habe er als ein „Bußtagswunder“ erlebt. Die Entschuldigung des Schreibers habe ihn selbst „zur Buße gebracht“, bekannte der Ratsvorsitzende der EKD. „Ich hatte nicht mit einer solchen Geste gerechnet. Ich hatte einem wüsten Facebook-Kommentator diese Veränderung nicht zugetraut. Weil ich nur die Haltung und nicht den Menschen gesehen habe. Weil ich Gott nicht zugetraut hatte, dass er uns zwei Menschen noch zusammenbringen kann. Weil ich selber mit innerer Abschottung reagiert habe. Weil ich die Kraft seiner Güte unterschätzt habe.“ Dieses Erlebnis sei für ihn eine „große Hoffnungserfahrung“ gewesen, weil die Güte Gottes stärker sei „als alle Grenzen, die wir Menschen aufbauen“.

Ein Bußtagswunder geschehe, wo Hass und Hetze verurteilt würden, aber nicht der andere Mensch. Wo menschenfeindliche Haltungen zurückgewiesen werden, jedoch Menschen nie auf solche Haltungen festgelegt würden. Denn Christen rechneten mit dem Wirken Gottes, „in den anderen, aber zuallererst in uns selbst“.

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Die Reformation in 90 Sekunden erklärt – Ein Crashkurs

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Der Fußballtrainer Jürgen Klopp über den Wittenberger Reformator: „Ich mag Luther“
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Als evangelischer Christ ist mir Martin Luther natürlich ein Vorbild. Luther war ein Kämpfer für die gute Sache, ein Rebell um des Glaubens Willen, damit Menschen ihren Glauben ohne Angst und mündig leben können!
Martin Luther wieder in unser Bewusstsein zu rufen, passt gerade jetzt sehr gut in unsere Zeit, in der wir viel darüber diskutieren, ob wir Menschen Zuflucht bieten oder sie ausschließen sollten. Ich mag Luther, weil er für die Unterprivilegierten und Ausgeschlossenen gekämpft hat. Er war der Anwalt der kleinen Leute und hat viel dafür riskiert, damit wir ein positives Gottesbild haben können. Der liebende Gott, an den ich glaube, bei dem sind alle willkommen, ungeachtet ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft und ihrer Bildung.
Und dass sich diese gute Nachricht damals schnell herumsprach, dafür hat ja mein „ehemaliger Mainzer Mitbürger“ Johannes Gutenberg mit seinem Buchdruck gesorgt.

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Andacht zur Impulspost „Bibel auf den Punkt gebracht“

Von Pfarrer Patrick Smith, Mühlheim

„Mit Gott hab ich nichts zu tun. Also zumindest nicht mit Kirche.“ Hört man oft, versteht man selten. Wer ist denn „Kirche“? Die katholische aus Rom? Die evangelische in Darmstadt? Oder doch die freie evangelische Gemeinde aus dem Nachbarort? Und wer glaubt hier eigentlich was und wann hat wer hier welche Macht missbraucht?
Wenn Menschen sagen, sie haben mit Kirche nichts zu tun, dann liegt das auch daran, dass sie den Eindruck haben das beruhe auf Gegenseitigkeit. Kirche habe mit ihnen nichts zu tun. Die Frage nach dem historischen Kontext paulinischer Briefe wird sich mein Bankberater erstmal so nicht stellen. Der fragt sich gerade, wie es weitergeht, jetzt wo seine Filiale
geschlossen wird. Ob er nächstes Jahr noch Arbeit hat und wie er den Unterhalt für die zwei
Kinder aus erster Ehe zahlen soll.

Wir sind nicht die Türsteher Gottes und nicht die Geheimnishüter der Wahrheit. Wir haben eine Hoffnung. Einen lebendigen und echten Grund hoffnungsvoll zu sein. Mitten im Heute. Mitten in beunruhigenden Wahlergebnissen und mitten in Nachrichten von Terror. Und das ist kein Geheimnis. Sollte es auch nie sein. Das braucht nicht verschlüsselt und verkopft zu werden.
Die Essenz passt auf einen Bierdeckel. „Liebe“. Die soll dein Kompass sein. Wenn du nicht weißt, was du noch sagen kannst. Wenn du das Telefon an die Wand schmeißen willst und
den Rechner gleich mit. Wenn du die Tür zuschlagen möchtest und mindestens zwei Teller werfen vor Wut und Überforderung: Liebe.
Liebe Gott. Liebe dich selbst. Und liebe die Anderen.
Liebe klaut nicht. Liebe betrügt nicht und Liebe bringt auch keinen um. Die großen Wegweiser des christlichen Glaubens finden hier ihr Fundament. Und wenn Du unsicher bist,
ob das was du tust in Ordnung ist: überleg dir, ob du Gott davon erzählen würdest, was du gemacht hast. Und wie du dich dabei fühlen würdest.

Es gibt einen Wegweiser. Eine Richtung in die es weitergeht, auch wenn es ausweglos scheint. Da liegt Kraft verborgen und Hoffnung. Wir erzählen und wir singen davon. In Gottesdiensten und Andachten. In schönen Räumen und solchen, die es noch werden könnten. Aber Glaube passiert nicht nur in der Kirche. Er passiert in der Welt. Er passiert im Leben der Menschen und da wird er auch gebraucht.
„Nur wer brennt kann andere entzünden“, sagte der Kirchenvater Augustinus. Und das
stimmt. Aber man kann eben nur begrenzt entzünden, wenn man sich auf die beschränkt,
die immerhin schon den Weg in die Kirche gefunden haben.
Wir erzählen heute unser halbes Leben in sozialen Netzwerken; wir teilen was uns bewegt und harren der Meinung einer gesichtlosen Welt. Aber wenn das Video eines tanzenden
Pinguins dir wichtig genug ist, es mit der Welt zu teilen, warum ist es dann dein Glaube
nicht?

Sie wollen mehr über die neue Impulspost erfahren. impulspost.ekhn.de/startseite-wahrheit

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Drei Geschichten aus drei Religionen

Von Doris Joachim-Storch, Referentin für Gottesdienst

Muss ich in der Religion eigentlich alles glauben und verstehen? Drei Geschichten aus drei Religionen.
Sie ist auf dem Weg in den Gottesdienst. Die alte jüdische Dame in einer Seniorenresidenz in Frankfurt. 96 ist sie. Es ist Sabbatabend.  Der Rabbi hat sie eingeladen.  Seit sie da wohnt, geht sie immer in den Sabbatgottesdienst. Dem Rabbi zuliebe, sagt sie und zwinkert mit den Augen. Ein Fernsehteam begleitet sie bis zur Tür. Ob sie oft betet, wird sie gefragt. „Beten? So ein Quatsch. Ich gehöre einfach dazu. So ist das Leben.“ Sagt’s, verschwindet in der Synagoge und lauscht dem fremden vertrauten Klang der hebräischen Worte. Vielleicht wird sie einige mitmurmeln. Sie weiß nicht, wie das geht: beten. Sie tut’s einfach. Weil sie dazu gehört. Das erleichtert das Herz.
In seinem Roman „Tausend strahlende Sonnen“ erzählt  Khaled Hosseini von Mulla Faizallah in Afghanistan: Der gibt der kleinen Mariam Koranunterricht. Einmal sagt er ihr, dass er den Sinn der arabischen Worte im Koran eigentlich nicht verstehe. Aber er liebe ihren Klang. Sie trösten ihn und erleichtern sein Herz. „Auch dich werden sie trösten, Mariam‘, sagt er. ‚Du kannst sie aufrufen, wenn du Kummer hast. Und du wirst nicht enttäuscht sein, denn Gottes Worte täuschen nie, mein Mädchen.‘“
Szenenwechsel: Mittagsgebet in meiner Kirche in Frankfurt. Mehrere Wochen hintereinander dieselben Gebete und Lieder. Viele kenne ich auswendig. Ich bin mit meinen Gedanken ganz woanders. Spreche die Worte irgendwie mit. Verstehe nicht wirklich. Wie geht das eigentlich – beten? Manchmal weiß ich es nicht. Aber ich tu es trotzdem. Der Klang erleichtert mein Herz. Ich gehöre dazu. So ist das Leben.
Drei Geschichten aus drei Religionen. Judentum, Islam, Christentum. Alle haben Worte, die wir aufrufen können, wenn wir Kummer haben. Worte, die wir nicht immer verstehen oder glauben müssen. Der Theologe Fulbert Steffenski meint: „Sie sind die Notsprache, wenn uns das Leben die Sprache verschlägt.“ Auswendig gelernte Worte. Deren Klang uns tröstet. Gut, wenn wir solche Worte haben.

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Gott neu entdecken

Gedanken zum Reformationsjubliäum 2017

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Was steckt hinter dem Slogan „Gott neu entdecken“?

Ein wichtiger Auslöser der Reformation war das Hinterfragen gängiger Denkmodelle. Scheinbar bekannte Gottesbilder und kirchliche Formen wurden radikal auf den Prüf-stand gestellt – mit dem schönen Ergebnis, dass die „Neu-Entdecker“ nicht nur ungeahnten Facetten Gottes auf die Spur kamen, sondern auch allen Christinnen und Christen Mut machten, leidenschaftlich auf der Suche zu bleiben. Luther selbst sagte einmal sehr klug: „Das Leben ist nicht ein Sein, sondern ein Werden.“ Die grenzenlose Neugier auf Gott und die Lust am Weiterfragen haben in den evangelischen Kirchen seither nicht aufgehört. Und gerade 2017 soll ein Jahr der „göttlichen Neu-Entdeckungen“ sein.

Wie hat Martin Luther „Gott neu entdeckt“?

Der große Reformator gab sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Schon gar nicht, wenn er sie als lebenshemmend erlebte. Als er „neu entdeckte“, dass Gott voller Liebe ist, so dass kein Mensch vor ihm Angst haben muss, setzte Luther alles daran, eine Kirche zu bauen, die diese Erfahrung verständlich vermittelt. Zum Beispiel forderte er Gottesdienste, die jede und jeder verstehen kann und sagte vielen Institutionen und Traditionen den Kampf an. Daher nannte man die Evangelischen schon früh „Protestanten“. Allerdings: Der Reformator war auch ein „Kind seiner Zeit“. Seine polemischen Schriften gegen Juden, Hexen, Türken oder sonstige Gruppen werden heute zu Recht als Schattenseiten eines bedeutenden Denkers und Gestalters wahrgenommen.

Was wird da nun gefeiert?

Natürlich ist das Jahr 2017, das an den Thesenanschlag erinnert, ein symbolisches Datum. Es steht für den Geist der Erneuerung, der schon vor Luther lebendig war und auch durch viele andere Reformatoren wie etwa Johannes Calvin oder Huldreich Zwingli auf vielfältige Weise weiterentwickelt wurde. Und es geht sicher nicht darum, die schmerzhafte Trennung von der „Katholischen Kirche“ zu bejubeln, sondern sich darüber zu freuen, dass vor 500 Jahren Martin Luther der Welt vor Augen geführt hat, dass jedes Individuum und jede Gesellschaft aufgefordert ist, Verantwortung zu übernehmen – dafür, dass die Welt ein Ort wird, an dem Menschen sich frei entfalten können und in dem es Raum gibt, der Liebe Gottes zu begegnen.

Auszug aus www.gott-neu-entdecken.facettnet.ekhn.de

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Es gibt so viele gute Gründe, dankbar zu sein

Von Pfarrer Martin K. Reinel, EKHN-Öffentlichkeitsarbeit

Wann sagt man „Danke“? Wenn einem die Tür aufgehalten wird, wenn man etwas geschenkt bekommt, wenn einem jemand etwas Gutes tut. Danke sagt man in der Regel, wenn eine Bitte erfüllt wird, und bei etwas Außergewöhnlichem. Selbstverständliches nimmt man dagegen einfach so an – wortlos, ohne Kommentar.
Doch was ist selbstverständlich? Und an was haben wir uns einfach nur gewöhnt? In Deutschland an vieles, denn wir leben in einer Konsumgesellschaft. Da gibt es von vielem mehr als genug: Waren, Freizeitangebote und Informationen im Überfluss. Natürlich können sich nicht alle Menschen alles leisten, aber die allermeisten haben doch mehr als sie brauchen. Die Frage der meisten ist nicht: “Habe ich etwas zum Essen?“, sondern: „Worauf habe ich heute Lust?“.

Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Das wissen alle, die von irgendetwas aus der Bahn geworfen wurden – von einer Krankheit zum Beispiel. Es gibt viele Schläge, die einen schmerzhaft an das erinnern, was Jesus mit der Frage anspricht: „Wer von euch kann dadurch, dass er sich Sorgen macht, sein Leben nur um eine Stunde verlängern?“ (Bergpredigt Matthäusevangelium Kapitel 6, Vers 27). Jesus blickt hinter die Fassaden des Alltagstreibens und spricht eine ganz elementare Realität an: Das Leben selbst ist ein Geschenk.
Alleine dafür haben wir Grund genug, Gott dankbar zu sein. Darüber hinaus gibt es noch viele weitere gute Gründe dankbar zu sein: Für die Sonne, die den Tag hell macht. Für eine Mahlzeit, die satt macht. Für ein Lächeln, das froh macht. Für die Stille, die innerlich ruhig macht. Und für vieles mehr. Eigentlich könnte man jede Sekunde einmal „Danke“ sagen, das wären dann 86.400-mal an einem Tag.

Wer dankbar ist, erkennt den Wert von allem. Mit dem Wort „Danke“ auf den Lippen wird man achtsamer für die Mitmenschen, die Umwelt, für sich selbst – und für Gott. Vieles, das unser Leben ausmacht, liegt nicht in unserer Hand. Wir sind Beschenkte.

Wofür sind Sie in Ihrem Leben dankbar?

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Das ganze Leben vor Gott bringen

Evangelische Familienethik fragt nach biblischen Werten

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Von Pfarrer Oliver Albrecht, Propst für Süd-Nassau

Anspruch auf einen der vordersten Plätze im Lexikon populärer Irrtümer hat die Behauptung: „Die evangelische Kirche nimmt das mit der Familie nicht so ernst, da ist alles beliebiger.“ Dieser Satz ist falsch. Vielmehr bringt evangelische Familienethik christliche Inhalte in allen Formen von Familie verbindlich zur Sprache und setzt nicht eine Form von Familie absolut. Das ist zutiefst biblisch. Denn „biblisch“ bedeutet: Das ganze wunderbare, traurige, fröhliche und zerbrochene Leben vor Gott bringen.

„So zu tun als ob“ – das gefällt dem Gott der Bibel nicht. So zu tun, als ob es Tränen, Scheidung und Neuanfang nicht gäbe, blendet Realität aus. Und es hindert Gott, da zu heilen, wo es besonders nötig wäre. Wer so tut, als ob es Homosexualität nicht geben darf, weil sie Krankheit oder Sünde sei, lädt Schuld auf sich. Weil er Menschen in die Heimlichkeit, Verleugnung oder gar Verfolgung treibt Es gibt mehr heterosexuelle als homosexuelle Menschen. Mehr Paare feiern Silberne oder Goldene Hochzeit als solche, die eine Trennung durchleiden. Aber christliche Ethik heißt nicht, die Mehrheit zur Norm zu erklären und die Minderheit zu diskriminieren.

Christliche Ethik fragt für Mehr- und Minderheiten nach biblischen Werten. Einer der höchsten biblischen Werte für unser Zusammenleben in Partnerschaft und Familie lautet: „Ich bin ehrlich zu mir selbst und den anderen. Ich lüge und betrüge nicht, sondern sage, was in echt los ist. Ich suche nicht den Schuldigen, sondern übernehme Verantwortung. Ich habe die Größe, um Vergebung zu bitten und selbst zu vergeben.“ Christliche Familien – gleich welcher äußeren Form – leben diese Werte. „Ich habe das falsch gemacht.“ Und: „Ich vergebe Dir.“

Dass wir diese Glaubenssätze sagen können, dafür ist unser Herr Jesus Christus in den Tod gegangen. Er spricht uns frei von unserer Schuld und macht uns gerecht – so wie wir sind. Freigesprochen und gerecht gemacht können wir es gut machen in diesem Erdenleben. Wer anderen die Freiheit nimmt und sie aufgrund der äußeren Lebensform ins Unrecht setzt, greift ein in das Heilshandeln Gottes. Genau deswegen nimmt die evangelische Kirche das mit der Familie sehr ernst.

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Du bist ein Segen.“DubisteinSegen-Stempel-Farbe

Gottes Segen umfasst Schutz, Gnade und Frieden für alle Menschen

Von Oberkirchenrätin Ulrike Scherf, Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten der EKHN

„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“, sagt Gott zu Abraham, nachdem er ihn aufgefordert hat, sich auf den Weg in ein fremdes Land zu machen (1. Mose 12,2). An der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt spürt Abraham: Gott geht mit mir. Was mich erwartet, mag ungewiss sein. Aber ich bin nicht allein. Was aus mir wird, steht noch nicht fest. Aber mein Leben wird nicht vergeblich sein. Denn ein Gesegneter wird selbst zum Segen für andere. Von Abraham ausgehend umrundet der Segen die Erde und durchwandert die Zeit.
Die christlichen Gemeinden haben unterschiedliche Segensrituale entwickelt, besonders an den Schwellen des Lebens, wenn Menschen Abschied nehmen von einem Lebensabschnitt und in eine neue Zeit hinübergehen.
Täuflinge werden gesegnet und ihre Eltern, Konfirmierte, Paare, Trauernde, Sterbende – Segen für  die Veränderung, den Übergang. Und am Ende eines jeden Gottesdienstes steht der Segen, der uns über die Schwelle der Kirchentür hinaus im Alltag begleiten soll.
Segen ist mehr als ein guter Wunsch im Alltag. Im Segen wirkt Gott selbst. Wer gesegnet wird, kommt mit Gottes Kraft in Kontakt und wird durchlässig für sein segnendes Handeln.

Segen erfüllt mich, so, wie Licht einen Raum füllt, ich spüre, dass mir Lebenskraft zuwächst und fühle mich umfassend aufgehoben und bewahrt.
Wie gut tut es, gesegnet zu werden: Jede und jeder von uns erlebt Krisen. Jede und jeder erlebt Neuanfänge. Freude und Trauer, Versagen und Dank für Gelungenes ist darin aufgehoben. Gott  wird das Gute und Gelingende wachsen lassen und das Schwere, vielleicht gar Misslungene verwandeln.
Gott ist mit seinem Segen mitten unter uns. Er ist da, wo Menschen leben, arbeiten, sich freuen und leiden.
Dieser Segen ist ein Geschenk. Niemand muss ihn sich verdienen – der Sonntag als Ruhetag und Tag, um sich segnen zu lassen, steht dafür. Alles Leben ist gesegnet. Deshalb sollen wir den Segen weitergeben, wo etwa Menschen von Armut betroffen sind oder Asyl suchen.
Gottes Segen verbindet uns. Unser Auftrag und unsere Würde ist, ihn weiterzutragen. Durch unsere Worte und Gesten hindurch handelt Gott selbst und sein Segen breitet sich aus. Von Abrahams Zeiten klingt Gottes Stimme bis ins Heute, zu Ihnen: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“