Sonntag Quasimodogeniti 2021 Predigttext Joh. 21, 1-14

Liebe Gemeinde,
die Jünger sind dorthin zurückgekehrt, wo alles begann. An den See Genezareth, einen vertrauten Ort. Das brauchen sie jetzt dringend. Denn den Jüngern wurde gerade die Welt auf den Kopf gestellt: tot ist nicht tot, Ihr Herr und Freund – er lebt, Christus – stärker als alles! Und was heißt das nun eigentlich für ihr Leben? Weil sie das noch nicht einordnen können, ergreift Petrus – wie schon so oft – die Initiative: „Ich will fischen gehen.“
In unklaren Situationen, die wir nicht überschauen, ist das nicht das schlechteste: das zu tun, was wir können. Denken wir als nicht zu klein über unseren Alltag, das heißt doch: die täglichen Pflichten, den Berufsalltag und die Aufgaben in der Familie wertschätzen.
Und so will Petrus also fischen gehen. Das hat er gelernt, das ernährt ihn und seine Familie, gibt dem Alltag Struktur und dem eigenen Ich Selbstachtung.
„Wir wollen mit dir gehen,“ sagen dann auch die anderen. Das ist eine ziemlich bunte Truppe, die da fischt. Petrus, der Jesus verleugnet und doch von ihm beauftragt wird, Fels der Kirche zu sein; Thomas, der Zweifler, der beharrlich nachfragt; Nathanael, „der rechte Israelit, an dem kein Falsch ist“(Joh. 1,47); und auch die Brüder Zebedäus sind mit dabei, das sind die, die auf die Ungläubigen Feuer vom Himmel fallen lassen wollten und auch noch gerne die besten Plätze im Himmel für sich gehabt hätten. Beides hatte ihnen Jesus nicht zugestanden; der Jünger, den Jesus besonders lieb hatte, ist ebenfalls mit dabei und dann noch einer, namenlos, ungenannt und doch dabei. „Wir wollen mit dir gehen.“ Auch das ist Alltag. Einer tut etwas und wir schließen uns an. Gemeinsam tun, was dran ist. So verläuft doch viel in unserem Leben – und warum auch nicht. So könnte man auch Gemeinde beschreiben: eine bunte Truppe, in der es um das Dabeisein geht.
Und dann heißt es weiter in der Geschichte: „Und in dieser Nacht fingen sie nichts“.
So ist das. Manchmal ist der Alltag nicht prickelnd. Sondern einfach nur Alltag. Langweilig, unergiebig, alltäglich, mühsam. Es gibt Tage, da denke ich abends: den hätt’s nicht gebraucht. Gott sei Dank sind es nicht viele, aber es gibt sie. Von Udo Jürgens gibt es einen Schlager: ich war noch niemals in New York. Da geht einer Zigaretten holen und die Frau ruft ihm noch nach, er soll den Schlüssel mitnehmen, weil das Kind schon schläft. Und während er losgeht, überlegt er sich: ich war noch niemals in New York, noch niemals in Hawaii. Und er träumt: noch einmal frei sein. Er hat alles dabei: Pass und Scheckkarte und Geld, einfach weg. Und dann holt er Zigaretten und geht heim, in das alte Leben, den gewohnten Alltag, zu Frau und Kind.
So ist das manchmal: der Alltag ist nicht immer lustig und manchmal sind da Durststrecken, die man durchstehen muss.
„Petrus zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig.“
Und mit einem Mal ist da mitten im Alltag, mitten in dem, was gar nicht lustig ist, eine unglaubliche  Fülle – 153 Fische. Die Jünger am See haben 153 Fische im Netz, große Fülle mitten im Alltag. Sie zählen und erzählen, sie deuten. „Es ist der Herr.“ Sie haben ihn nicht gleich erkannt. Sie deuten und vertrauen. Das ist glauben: mitten in meinem Alltag die wunderbare Fülle entdecken, von ihr erzählen und sie deuten: Es ist der Herr.
In einem Kurs während der praktisch-theologischen Ausbildung bekamen wir einmal die Aufgabe, morgens einzeln vom Predigerseminar zur Heiliggeistkirche mitten in der Heidelberger Altstadt zu gehen. Und auf dem Fußweg sollten wir eine Landkarte der Geräusche erstellen. Was wir hören auf dem Weg. Hätte man mich vor dem Spaziergang gefragt, was ich hören werde, hätte ich gesagt: Autos, Motorräder, Stimmen. Das habe ich natürlich gehört. Aber dahinein auch Vogelstimmen, gar nicht wenige, ein Ball, der immer wieder auf die Erde ploppt, ein klappender Mülldeckel, jemand der singt, lachen, Briefkastenschlitze, die klappen, Gesprächsfetzen in den verschiedensten Sprachen, Fahrradklingeln, die Geige des Straßenmusikanten, Haustüren, die auf und zu gehen, und und und.
Und dann die Kirche betreten, den großen alten weiten Raum, von draußen nach drinnen kommen. Die Geräusche der Stadt sind mit einmal weit weg. Dafür sind da andere Geräusche: Leise Schritte, Knarzen einer Bank, Gedämpfte Unterhaltung und die Atmosphäre von Ruhe. Eine Ruhe, die ich hören und spüren kann. Es ist der Herr mitten im Alltag.
„Sie sahen ein Kohlenfeuer und Fische drauf und Jesus spricht: Kommt und haltet das Mahl.“
Am Ufer brennt ein Feuer, darauf liegt Brot und Fisch. Nicht der Fisch, den die Jünger gefangen haben. Der auferstandene Herr sättigt sie nicht mit dem Erfolg Ihrer Arbeit. Der Auferstandene sättigt uns nicht mit dem Erfolg unserer Arbeit, unseres Glaubens, unserer Mühe. Er bringt alles mit, er schenkt sich uns. Er hat alles, was wir brauchen, wir müssen es nicht mittbringen. Und doch wird das, was wir bringen nicht achtlos beiseitegelegt. Was wir haben, aber auch was wir nicht haben, unseren Erfolg und unseren Mangel, der am Ufer steht sieht beides. Und hält es und würdigt es und teilt es. „Bringt auch von dem Fisch den ihr gefangen habt“, sagt er. Und dann gibt es Fisch und Brot. So wie damals, als so viele satt wurden. Es gibt zu essen so wie in Emmaus und wie in Jerusalem und überall und immer fort im Abendmahl durch alle Zeit und in aller Welt. Nehmt und esst vom Brot des Lebens. Was brauchen wir mehr? Amen.

Gottes Segen leuchte uns
wie das Licht am Ostermorgen.
Gottes Freude begleite uns.
Seine Liebe beflügle uns.
Seine Freude rühre uns an.
Christus ist auferstanden.
In diesem Glauben
segne Gott unsere Wege.

 

Eine gute, gesegnete neue Woche wünscht Ihnen
Ihre Jasmin Gabel, Pfarrerin